Im Frühjahr 2011 reiste eine Delegation von Berliner Journalisten in die Ukraine. Der Autor dieser Zeilen war auch dabei. Nach meiner Rückkehr verarbeitete ich meine Eindrücke von dem damaligen Aufenthalt auf der Krim unter anderem in einem Beitrag für die Neue Zürcher Zeitung, in dem ich die Stadt Sewastopol als "Zünglein an der russischen Waage" betitelte.

Ich bezog mich dabei auf die damals schon angestrebte Integration des größten Flächenstaates Europas in die transatlantischen und EU-Strukturen, ein Unterfangen welches dann aber vom ukrainischen Staatspräsidenten Janukowitsch gestoppt wurde. Im November 2013 unterzeichnete Janukowitsch beispielsweise nicht das Assoziations - und Freihandelsabkommen, die angestrebte NATO-Mitgliedschaft wurde schon vorher annulliert.

Wahrscheinlich wäre dieser sicher nicht sehr empfehlenswerte Politiker, der aber immerhin die territoriale Integrität der Ukraine gewährleisten konnte und in dessen Amtszeit kein Blut vergossen wurde, nicht drei Monate später vom eigenen Parlament im Rahmen der damaligen Aktionen auf dem Maidan abgesetzt worden.

Janukowitsch verstand aber besser als seine Nachfolger, dass es für die Ukraine, aufgrund ihrer Geschichte und geographischen Lage sowie ihrer demographischen Struktur, verheerend wäre, wenn man diese einseitig den Direktiven Brüssels und Washingtons ausliefern würde. Immerhin war der damalige EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen ja so ehrlich einzugestehen, dass sich die EU mit ihrer Forderung an Kiew, sich entweder für Brüssel oder Moskau zu entscheiden, tragisch verkalkuliert hat.

Fuck the EU

Zu jener Zeit waren die USA mit einer eigenen Ukraine-Strategie beschäftigt, die sich nur bedingt mit den Vorhaben der EU in Einklang bringen ließ. Sie basiererte auf den Thesen von Zbigniew Brzezinski aus seinem Buch „Das große Schachbrett“:

"Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr. Es kann trotzdem nach einem imperialen Status streben, würde dann ein vorwiegend asiatisches Reich werden."

Die US-Diplomatin Victoria Nuland wurde ja dabei belauscht, wie sie im Rahmen der US-Infiltration bei der Bildung einer neuen ukrainischen Regierung auf die Wünsche der angeblichen europäischen Partner mit der Aussage "Fuck the EU" reagierte.

Paten gegen Paten

In der Ukraine selbst machte Präsident Janukowisch einen innenpolitischen Fehler, als er danach strebte, Oberpate der Ukraine zu werden, was den anderen Paten nicht gefallen konnte. Einer dieser Paten war

Petro Poroschenko, der heutige "prowestliche" Präsident, der dann damit begann, den "Euromaidan" zu finanzieren, jene anhaltenden Demonstrationen, die zunächst von besorgten und aufgebrachten Bürgern, später von rechtsextremen Kräften aus der Westukraine und kriminellen Subjekten, dominiert wurden.

Im Westen tat das der Begeisterung für die Maidan-Bewegung keinen Abbruch. Wie auch schon während der sogenannten "Orangenen Revolution" ein Jahrzehnt zuvor, überschlugen sich westliche Medien und Politiker in hoffnungsvollen Erwartungen. 2014 schien man dabei allerdings vergessen zu haben, wie schnell die Orangen von Kiew 2006 verfault waren und dass die einstigen Helden, wie Gasprinzessin "Julia Timoschenko", kaum waren sie im Amt, von der Bevölkerung schnell abgewählt wurden.

Die direkte Unterstützung des Westens von sogenannten Orangen-, Rosen- oder Tulpenrevolutionen, beispielsweise in der Ukraine, Georgien und Kirgistan, demonstrierte damals schon das Scheitern eines politisch strategischen Entwurfes, der die Region weder westlicher, noch stabiler - vor allem nicht friedlicher gemacht hat. Der Rest ist ja bekannt.

Als am 20. Februar 2014 auf dem Maidan dann zahlreiche Menschen - Demonstranten wie Ordnungskräfte - einer Schießerei zum Opfer fielen, kippte die Stimmung radikal. Bis heute sind die Umstände und Urheber dieses Blutbades nicht eindeutig identifiziert, aber die Entwicklung nahm ihren Gang. Wie steht es heute um die Ukraine, ein halbes Jahrzehnt später?

Ukraine: Ein Land der Rekorde

Zynisch ausgedrückt ist die Ukraine ein Land der Superlative und der Rekorde. Der Grad der Korruption ist ebenso weltweit rekordverdächtig, wie auch die Höhe der Auswanderer. Dieses potentiell reiche Land liegt ökonomisch am Boden, seiner Bürger werden weiter von Oligarchen ausgebeutet, Nationalismus und Russophobie werden mit Billigung des Westens staatlich gefördert, tausende Menschen im Osten der Ukraine verloren ihr Leben bei kriegerischen Auseinandersetzungen. Fünf Jahre nach dem Maidan ist die Ukraine eine betrogene Nation.

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